Politik

Schellhorn: "Die haben einfach keinen Tau!"

"Heute" sprach mit Neos-Urgestein Josef Schellhorn (53) über die Corona-Krise und was die türkis-grüne Regierung "besser" hätte machen müssen.

30.06.2020, 21:25
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Neos-Urgestein und Unternehmer Sepp Schellhorn spricht im "Heute"-Interview über die Auswirkungen von Corona und den Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern. 
Sabine Hertel

"Heute": Wenn wir auf die Homepage des Finanzministerums schauen: Dort sehen wir Soforthilfe, Härtefallfonds, Wirtshauspaket, Umsatzsteuersenkung… Da ist ja relativ viel gemacht worden. Trotzdem kritisieren Sie die Corona-Maßnahmen der Regierung scharf. Was ist aus ihrer Sicht das Hauptproblem?

Schellhorn: "Zum einen ist es einmal sehr erratisch. Und immer wenn irgendjemand aufschreit, dann poppt irgendwas auf und man hat so den Eindruck: 'Jugend forscht, jetzt probieren wir das mal aus!' Aber es ist nicht konzertiert und so gut wie der Lock-Down funktioniert hat, wenn es um die Gesundheit ging, so schlecht war es für die Wirtschaftshilfen. Betrieben fehlt noch immer das Geld und immer wird irgendwo irgendetwas nachgelegt. Es bräuchte hier eine Stabsstelle. Ich habe gestern mit einem hohen Bankenvertreter gesprochen. Der sagt das Gleiche. Die Banken werden immer gehaut, aber in Wahrheit wird nichts kommuniziert. Und kurz angerufen wird am Freitag: 'Wir brauchen jetzt das und das' und am Samstag muss es dann eine Lösung geben. Da merkt man, wie unkonzertiert das abläuft. Und jetzt, wo es um jeden Arbeitsplatz geht, da braucht es eine Generalstabsstelle."

"Heute": Aber es gibt eh die Wirtschaftskammer?

Schellhorn: "Ich meinte Praktiker. Außerdem ist die Wirtschaftskammer bereits beschäftigt".

"Heute": Womit?

Schellhorn: "Mit der Abwicklung und dem Fehlerausbessern beim Härtefallfonds I und II… Die Mitarbeiter machen hier sicher großartige Arbeit. Aber ich glaube, der Herr Mahrer hat sich in seiner Ankündigung ein bisschen übernommen. Ich glaube, sie wollten eher darstellen, was die Kammer kann. Und das Abschlusszeugnis ist eigentlich: 'Nicht genügend, setzen!'"

"Heute": Stück für Stück: Beispiel Härtefallfonds. Was ist das Problem?

Schellhorn: "Das Richtlinienversprechen war, dass jeder Unternehmer in diesen 3 Monaten 6.000 Euro bekommt. In Wahrheit kenne ich aber keinen einzigen Unternehmer, der diese 6.000 Euro auch tatsächlich bekommen hat. Da werden verschiedene Bemessungsgrundlagen und Gegenrechnungen angestellt, wo er dann zum Beispiel beim Härtefallfonds I hinausfliegt, weil er eine Nebenbeschäftigung hat, beim IIer bekommt er dann 52,99 Euro… Da macht dann die Rechnung des Steuerberaters mehr aus…"

Video: heute.at

"Was wir immer gefordert haben: Minimale Bürokratie, maximale Sicherheit ist eigentlich umgedreht worden auf: Maximale Bürokratie, minimale Sicherheit. Und das Versprechen 'Wir lassen keinen Zurück', hat eher zu einem Unternehmensbashing geführt. So wie Kurz gestern im Puls 4 Sommergespräch sinngemäß gesagt hat, dass die Unternehmer eh Steuerhinterzieher sind und zu deppat sind, um die Formulare richtig auszufüllen."

"Heute": Welche Berufsgruppen hat es besonders schlimm erwischt?

Schellhorn: "Eigentlich alle! Vor allem die Einzelunternehmer, die sind ja de facto arbeitslos, aber bekommen kein Arbeitslosengeld. Angefangen hat es im Tourismus, dann kamen die Künstlerinnen und Künstler dran. Und wenn es so weitergeht, dann sind im Herbst die Tischler dran. Was ich immer sage: Stirbt der Tourismus, dann sterben auch die Tischler. Ich glaube, die haben noch keinen Tau, was da im Herbst passieren wird."

"Heute": Im Hilfsfonds sind 15 Milliarden Euro drinnen. Was ist damit?

Schellhorn: "Es gibt inzwischen so viele Fonds, wo sich eh schon niemand mehr auskennt. Ich nenne nur das Beispiel Betriebskostenzuschuss. Das wird eher jenen zugutekommen, die mieten oder pachten. Weil wenn es Eigentum ist, dann muss man relativ wenig zahlen. Aber dann kann er Strom und Handy-Rechnung einreichen, davon wird er aber auch nicht viel haben."

"Anderes Beispiel: Neustarterbonus. Groß angekündigt, aber nicht durchdacht. Weil ein Mitarbeiter aus dem Tourismus, der neu angestellt wird, muss mindestens acht Wochen arbeitslos gemeldet sein. Jetzt macht man im Tourismus aber, wie überall sonst, meist einen Probearbeitstag. Jetzt fällt der Mitarbeiter damit aber um den Bonus um. Und wenn ich ihn nicht anmelde und den Probetag 'schwarz' mache, ist das illegal. Man kann also nur anmelden und kündigen, wenn man nicht zusammenkommt. Da sind Leute am Werk, die einfach von der Praxis keine Ahnung haben."

"Heute": Machen Gastronomen viel schwarz?

Schellhorn: "Ich bin der Meinung, dass es gar nicht mehr schwarz geht. Vor allem durch die Registrierkassenverordnung und gerade im Tourismus schreitet das bargeldlose Zahlen voran. Unser Thema ist ein anderes: Die Mitarbeiter brauchen ein höheres Gehalt, das ist aber von den Betrieben bei der jetzigen Kostenstruktur nicht umzusetzen. Weil, wenn man bedenkt, dass in einem normalen Gastrobetrieb von 1.000 Euro Umsatz gerade einmal 14 € über bleiben, dann weiß man, was schief gelaufen ist. Der Kostenfaktor Arbeit ist gestiegen. Wir alle wollen, dass Mitarbeiter mehr verdienen und weniger kosten. Das wäre der größte Konjunkturmotor."

"Heute": Umsatzsteuersenkung...

Schellhorn: "Also erstens ist das ein vierter Steuersatz. Zweitens wird die UST auf alkoholische Getränke EU-rechtlich einmal durchzudrücken sein - wenn man es überhaupt kann. Da gilt ja das Einstimmigkeitsprinzip. Jetzt könnte sich das als Druckmittel für die Eurobonds erweisen, was ein teurer Kauf wäre." (lacht)

"Oder er nimmt Strafzahlungen in Kauf. Dann kann er immer sagen: Schaut’s, wir wollten eh, aber die in Brüssel haben es halt nicht wollen. Das wäre die zynische Variante. Das wird heute beschlossen, auf unsere Kritik hin wurde die Hotellerie jetzt doch berücksichtigt. Heißt: Logis und Übernachtung wird auf fünf Prozent gesenkt".

"Nach den vielen handwerklichen Fehlern in der Ausgestaltung der diversen Rettungspakete – man verliert ja bereits den Überblick über diesen Fleckerlteppich –  ist die Umsatzsteuersenkung positiv. Machen wir uns aber nichts vor, unterm Strich mildert die Umsatzsteuersenkung für viele Betriebe maximal die Umsatzverluste: Kämpft ein Gastwirt mit 40 Prozent Rückgang und kann sich die Umsatzsteuersenkung zur Gänze einbehalten, kommt er immer noch auf einen Umsatzrückgang von fast 32 Prozent."

"Heute": Was ist mit dem Projekt Winterschlaf?

Schellhorn: "Ich habe schon früh gesagt, wir brauchen eine Sonderlösung. Wir brauchen einen effektiven Rettungsschirm unter dem Motto 'freeze' für alle Tourismusbetriebe inklusive der Reiseveranstalter für mindestens ein Jahr. Das bedeutet das komplette Aussetzen von Kreditraten, Zinszahlungen und Steuern. Vor allem für die Stadthotellerie aber auch für die anderen Bereiche. Wir werden dieses Jahr nicht einmal die Hälfte der Nächtigungen erreichen. Da ist kein Betrieb wirtschaftlich zu führen. Es gibt sicher Hotels, die das gut machen, aber viele sperren auch erst gar nicht auf."

"Heute": Jetzt im Sommer: Wo gibt es die Gewinner, wo die Verlierer?

Schellhorn: "Das werden vom Campingplatz bis zum 5-Sterne-Hotel die Unternehmen sein, die sich früh positioniert haben, die eine große Serviceleistung haben und vor allem in den letzten Jahren auch schon einen hohen Österreicher-Anteil hatten."

"Heute": Wie wird der Sommer für sie?

Schellhorn: "In Goldegg im Hotel werden wir das mit einem blauen Auge überstehen. Aber in Salzburg ist es für unseren Betrieb eher besorgniserregend. Weil wir machen aktuell nur zehn Prozent des Umsatzes."

"Heute": Haben Sie sich schon von Mitarbeitern trennen müssen?

Schellhorn: "Nein, wir haben generell uns von niemanden getrennt, sondern sind sofort in die Kurzarbeit eingegangen. Es war uns auch wichtig, dass wir unsere Mitarbeiter nicht in die Arbeitslose schicken, weil dann hätten sie nur 55 Prozent vom Letztgehalt bekommen. In Salzburg, dadurch, dass wir alle in Kurzarbeit haben, aber nur zehn Prozent vom Umsatz, da werden die Mitarbeiter nervös. Man merkt, dass sie mehr Einkommen brauchen. Vor allem im Tourismus kann ich das aber nicht so machen, wie sich das meine Mitarbeiter vorstellen. Denn das wäre eine Insolvenzverschleppung."

"Heute": Das heißt sie stehen im September vor derselben Situation wie viele andere Unternehmer und würden mit 40-50 Prozent (der Mitarbeiter) auskommen?

Schellhorn: "Ja!"

"Wenn Grippewelle und Pandemie zusammenkrachen,…dann haben wir speziell für die Risikopersonen das Chaos perfekt."

"Heute": Was ist mit Sportgastein?

Schellhorn: "Gastein, das sind ja nur Winterbetriebe. Aber vor dem Winter habe ich riesengroßen Respekt. Warum? Weil der Gesundheitsminister vergessen hat, Influenza-Impfungen in ausreichender Zahl zu bestellen. Und wenn Grippewelle und Pandemie zusammenkrachen,…dann haben wir speziell für die Risikopersonen das Chaos perfekt, nicht nur, aber gerade im Tourismus. Bei meinen drei Winterbetrieben, wo ich ca. 70 Personen beschäftige, also da weiß ich noch nicht, wie ich tue."

"Heute": Wie viele Beschäftigte haben sie insgesamt?

Schellhorn: "In der Regel zwischen 100 und 110, zur Festspielzeit alleine in Salzburg 54, in diesem Sommer nur 24."

"Heute": Wie viele davon sind auf Corona getestet?

Schellhorn: "Wir wüssten nicht einmal, wo wir Tests machen können. Salzburg-Stadt ist ja bisher keine Test-Modellregion. Aber auch die Testungen in den ausgerufenen Modellregionen sind sinnbefreit und kontraproduktiv. Die einmalige Testung ist völlig sinnlos, die Mitarbeiter müssten ja  laufend getestet werden. Denn welche Aussagekraft soll ein Gütesiegel sonst haben?"

"Der Deutsche macht um uns alle einen Bogen, wenn wir reden, der Österreicher setzt sich dazu. Das ist die Mentalität."

"Heute": Wie würden sie persönlich die Menschen schützen?

Schellhorn: "Ich merke als Gastgeber, wie sich Österreicher und Deutsche verhalten. Der Deutsche macht um uns alle einen Bogen, wenn wir reden, der Österreicher setzt sich dazu. Das ist die Mentalität. Ich würde ja, wenn ich Anschober wäre, in der Information etwas einfallen lassen bezüglich dem Donaukanal und dem Karlsplatz. Verbieten will ich das nicht, aber wenn wir das täglich sehen, dann verlieren wir die Vorsicht und die Achtsamkeit. Also wir in unseren Betrieben schauen darauf, dass wir achtsam damit umgehen, Hände desinfizieren und Abstand halten."

"Heute": Müssen die Leute wieder mehr Angst vor Corona haben?

Schellhorn: "Nein, aber wir brauchen kluges Risikoverhalten. Von Türkis-Grün wurde der Angstpegel in die Höhe geschraubt, aber der mündige Bürger ausgespart. Risikoverhalten lebt aber von Eigenverantwortung. Zuerst sind wir alle mitgegangen, da haben wir die Auswirkungen noch nicht abschätzen können. Ich habe ja selbst geglaubt, das ist in einem Monat vorbei. Aber jetzt habe ich die Angst vor einem zweiten Lock-Down. Gehen die Zahlen wieder rauf, wird die Regierung wieder zusperren. Das schafft aber die Wirtschaft nicht. Der Finanzminister liest Ovid auf dem Wakeboard, aber Covid mit den Folgen für die Wirtschaft versteht er nicht. Wir müssen die Balance halten und gezielt präventive Maßnahmen setzen. Ein Verzicht auf Händeschütteln und der Babyelefant reicht dafür nicht. Indoor-Events mit großen Menschengruppen und lauter Musik sind unmöglich und das werden sie noch für Monate bleiben – hier fehlt mir die Ehrlichkeit der Regierung."

"Heute": Wie ist das Verhältnis zwischen Inländer- und Ausländergästen in ihren Betrieben?

Schellhorn: "In Salzburg ist es extrem, auch am Mönchsberg oben, das ist sehr exponiert, da habe ich nur zehn Prozent Inländer-Anteil, mit Deutschen 30 Prozent, der Rest ist international. In Goldegg bin ich bei 78 Prozent deutschsprachig. Davon sind 60 Prozent Österreicher, 40 Prozent Deutsche."

"Heute": Was haben sie an Hilfen schon ausbezahlt bekommen?

Schellhorn: "Ich habe bei der ÖHD (Österreichische Hotelier- und Tourismusbank, Anm.) um einen Überbrückungskredit für Salzburg angesucht, die ÖHD hat super gearbeitet. Aber das ist ein Kredit, den ich zurückzahlen muss und keine Hilfe. Die Kurzarbeit empfinde ich auch nicht als Hilfe. Das ist mein Sozialbeitrag für die Mitarbeiter und mein Beitrag für den Bund."

"Heute": Ist dieses Geld schon geflossen?

Schellhorn: "Die wird monatlich abgerechnet. Meine Bestätigung kam irgendwann Mitte April, seitdem läuft das. Aber das ist alles nur ein Betrieb. In den anderen Betrieben zahle ich meine Mitarbeiter voll."

"Heute": Die restlichen Töpfe helfen nichts?

Schellhorn: "Für den Härtefallfonds bin ich zu groß. Der Betriebskostenzuschuss ist eine Aufgabe, an der mein Steuerberater schon länger arbeitet, das ist höchst bürokratisch. Und sonst habe ich keine Hilfen."

"Heute": Stimmt ihr der Umsatzsteuer-Senkung zu? (Während des Interviews war die entsprechende Abstimmung noch nicht abgeschlossen, Anm.)

"Das erstaunliche ist ja die Situation der Bauern: Die stehen quasi in der Money-Maker-Pose da und lassen das Geld auf sich regnen."

Schellhorn: "Ja, weil von der Regierung jetzt die Hotellerie berücksichtigt wurde. Das Erstaunliche ist ja die Situation der Bauern: Die stehen quasi in der Money-Maker-Pose da und lassen das Geld auf sich regnen. Das Thema ist schon, dass der Borkenkäfer mehr zählt als die Hotel-Übernachtungen. Die haben sofort 500 Millionen Euro erhalten, obwohl ihnen zu Recht dafür gedankt wurde, dass sie die Lebensmittelproduktion fortgesetzt haben. Sie haben viel geleistet, aber jetzt kriegen sie 500 Millionen." (lacht)

"Heute": Noch kurz zur Psychologie: Was vermuten sie als Gründe der Regierung, um hier so zu handeln? Ist das ein Know-how-Problem? Wird nicht zugegeben, dass man Hilfe braucht?

Schellhorn: "Also, es ist einmal das fehlende Gefühl für die Wirtschaft. Weil, wenn man so wie Finanzminister Blümel noch nie ein Minus am Konto hatte, dann weiß man auch nicht, was ein Bankengespräch ist! Es ist die fehlende Empathie für Wirtschaftstreibende und es ist einfach eine Überforderung. Psychologisch gesehen hätte die Hälfte der Pressekonferenzen auch gereicht. Diese Zeit hätte ich aber für einen strategischen Wiederaufbau der Wirtschaft verwendet. Da braucht es eine Stabsstelle, da braucht es Experten. Wir haben uns immer wieder eingemeldet und Ideen gebracht, aber das Problem ist der nicht vorhandene Schulterschluss. Die waren zu eitel, um Fehler zuzugeben."

"Heute": Hat sie Bundeskanzler Kurz je nach ihrer praktischen Einschätzung der Lage gefragt?

Schellhorn: "Nein, Ich war nie eingeladen. Aber ich habe ein gutes Verhältnis zu Blümel."

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